Der letzte Kommendator vom Thüringer Wald

Seit 1800 im Amt für die Johanniter


Als letzter Komtur (Kommendator) der Johanniterkommende zu Schleusingen und zu Weißensee wirkte von 1800 an bis zu seinem Ableben in 1814 Philipp Hartmann Reichsfreiherr von Andlau-Birseck (auch von Andlaw-Birseck). Er entstammte einem erbritterlichen Adelsgeschlecht mit seinem namensgebenden Ursprung in Andlau im Elsässischen, unweit von Straßburg; genauer gesagt entstammte er einer der zahlreichen Seitenlinien, hier der von Andlau-Birseck, benannt nach einer Landschaft und Burg Birseck im Fürstbistum Basel. 

Einer seiner Vorfahren, Jakob Christoph, war schon einmal Komtur der Kommende Schleusingen von 1635-1638 gewesen. Es ist davon auszugehen, dass Philipp Hartmann eine lange Familientradition mit vielfältigen Verbindungen zum Johanniterorden fortsetzte, zumal seine Heimat historisch ein Kerngebiet der Ordensprovinz Alamania der Deutschen Zunge des Ordens mit einer hohen Konzentration an Kommenden darstellte. 

 

Malteserritter als Kommendator derJohanniter

Von Andlau-Birseck wurde am 3. Juli 1764 in Arlesheim bei Burg Birseck im Fürstbistum Basel geboren. In jungen Jahren meldete er sich freiwillig, zusammen mit seinem Bruder Conrad Karl, als Offizier zur Schweizergarde des Ludwig XVI. Am 10. August 1792 wurde Philipp Hartmann in der verlustreichen Abwehr des Sturms auf den königlichen Tuilerien-Palast schwer verwundet. Er kehrte in seine Heimat zurück. 


Von Andlau-Birseck wurde am 3. Dezember 1800 durch den Großprior der Ordensprovinz Deutschland im Malteserorden in sein Amt als Komtur der Johanniterkommende zu Schleusingen und (in Personalunion) zu Weißensee eingewiesen. Er erklärte in der Folge die obligatorische Erbhuldigung gegenüber dem landesherrlichen Kurfürsten von Sachsen, Friedrich August III. (nach 1806 Friedrich August I., König v. Sachsen). 


Ruine des Johanniter Berghof-Langebahn. Foto: Rippel

 

Recht bald verlegte er seine Residenz – wie schon sein Vorgänger Freiherr v. Forell- auf den von einem Pächter bewirtschafteten Johanniter-Gutshof „Berghof Langebahn“, nordwestlich von Schleusingen gelegen im sog. Kleinen Thüringer Wald. 

Mit dem im Reichsdeputationshauptschluss von 1803 eingeleiteten Säkularisationsprozess wurden alle Johanniterkommenden im Herrschaftsbereich Sachsens sukzessive geschlossen. Ein schleichender Auflösungsprozess begann damit auch für die Johanniterkommenden zu Schleusingen und zu Weißensee, bevor es im Juni 1815 zur formalen Auflösung der beiden Johanniterkommenden durch die neuen preußischen Herrscher kam. 


 

Doch schon mehr als ein Jahr zuvor, Anfang April 1814, hatte von Andlau- Birseck den Johanniter-Berghof Langebahn verlassen. Als „letzter Johanniterritter vom Thüringer Wald“ starb er kurze Zeit später am 8. Mai 1814, noch vor Vollendung seines 50. Lebensjahres, bei der Familie seines Bruders Conrad Karl in Freiburg im Breisgau. Dieser war zu jener Zeit großherzoglich- badischer Staatsminister. Die Linie derer von Andlau-Birseck starb 1917 im Mannesstamme aus. 

Dass von Andlau-Birseck nicht in der Komturei in Schleusingen wohnen und residieren wollte, hing wohl damit zusammen, dass Teile der Komturei dem evangelischen Superintendenten als Pfarrhaus vorbehalten waren. Das Anwesen mit diesem zu teilen, soll der katholische Komtur als etwas befremdlich betrachtet haben. Auch soll er nicht so viel Gefallen an den evangelischen Gesängen in der nahen St. Johannis- Kirche gefunden haben. 

Daher entschied sich der Komtur zum Wohnen und Residieren für das Freigut der Johanniter auf dem Berghof Langebahn und damit für die Waldeinsamkeit. Er lebte dort gemäß seinen Ordensregeln zölibatär, aber nicht alleine. Zusammen mit dem Gutspächter, dessen Familie sowie Mägden und Knechten war er zugleich Herr auf einem stattlichen Gutshof. 


Von Andlau-Birseck soll ein wahrer Hüne an Gestalt gewesen sein - ca. zwei Meter groß, breitschultrig und mehr als drei Zentner schwer, dazu mit einem Vollbart bis zu den Oberschenkeln. Gerne soll er Gästen seine schier unmenschliche Kraft gezeigt haben, wenn er im Liegen ganze Baumstämme in die Hochstrecke brachte oder er mit seinem gesunden Gebiss ganze Männer an ihrem Hosenbund in die Höhe hob. 

 

 

Gesellig und tanzfreudig, bis der Fußboden zitterte und die Fenster klirrten

Zu Festlichkeiten oder katholischen Feiertagen soll er im vollen Ordensstaat der Johanniter aufgetreten sein, d.h. mit einem langen schwarzen Mantel, auf der Brust das weiße achtzackige Johanniterkreuz, mit einem glänzenden eisernen Helm und schließlich mit einem breiten Schwert an der Seite sowie Stiefeln und Sporen. 

Gerne soll er ab und an die Stadt Schleusingen besucht haben, sei es den mit ihm befreundeten Oberforstmeister v. Tebra oder die Festlichkeiten auf der Bertholdsburg. Der weltlichen Lust des Tanzens soll er nicht ablehnend gegenübergestanden haben, so dass er schon einmal die Polonaise anführte, wobei unter seinen Füßen der Fußboden der Bertholdsburg zu zittern und die Fenster zu klirren begannen. 


Zu Hause auf dem Berghof Langebahn soll der Komtur sehr gesellig, gastfreundlich und jedermann zugänglich gewesen sein. Durch den Schank- und Beherbergungsbetrieb, nahe des viel befahrenen Kutschwegs von Schleusingen nach Meiningen gelegen, gab es wohl zahlreiche Durchreisende, von denen er sich gerne Neues und mancherlei Lügengeschichten aus aller Welt erzählen ließ. 

Geistlichen Kontakt soll er zu Kapuzinermönchen aus Königshofen im Grabfeld gehalten haben. Andere Zeugnisse seines katholischen Glaubens, wie z. B. Heiligenbilder, Kruzifixe oder ein Rosenkranz waren für seine Wohnräume auf dem Berghof nicht belegt. 

An kirchlichen Festtagen soll der Komtur sog. Gehtage abgehalten haben, an denen er – ganz im Sinne seines karitativ ausgerichteten Johanniterordens - unverschuldet in Not Geratenen aus den umliegenden Dörfern Rat und Hilfe anbot. Hungernden reichte er Speis und Trank dar, Bedürftigen soll er bereitwillig einen Notgroschen mit auf den Weg gegeben haben. 


Er soll einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn an den Tag gelegt haben, wenn er erlebte, dass Knechte oder Waldarbeiter ungerechtfertigt beschimpft oder geschlagen wurden. Ohne Ansehen der Person griff er wohl unmittelbar ein und sorgte so für Gerechtigkeit und Ausgleich. Er soll auch den Scherz geliebt haben und nicht nachtragend gewesen ein, wenn er selbst zum Gegenstand des Spotts wurde, etwa weil er als katholischer Ritter unverheiratet bleiben musste. 

 

Erinnerung auf Festumzügen lebendig gehalten

Kraft seiner hünenhaften, barocken Gestalt und seiner besonderen herzlichen Charakterzüge blieb der Johanniterritter von Andlau-Birseck lange Zeit im Gedächtnis der Bevölkerung in den umliegenden Dörfern erhalten. So wurde er auch auf Festumzügen - wie zu dem weithin bekannten Schleusinger Schützenfest - bis in das 20. Jhd. hinein als sagenumwobener, mittelalterlicher Ritter in voller Rüstung dargestellt. 


Manches wurde von Zeitzeugen aufgeschrieben, so von einem Studenten aus Römhild als eine der wichtigsten Quellen; teilweise wurde über die Jahrzehnte wohl auch etwas hinzugedichtet. Das Leben und Wirken des „letzten Johanniterritters vom Thüringer Wald“ wird in einer Abhandlung von Heimatforschern des ehem. Kulturbundes der Stadt Suhl aus den 1960er Jahren auf der neben der Berghofruine gelegenen Bergbaude „Langebahn“ bis heute festgehalten. 


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Die Johanniterkommende Schleusingen (1291-1815)
Eine historische Aufarbeitung
Die Johanniterkommende Schleusingen.pdf
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